Nähe und Sexualität nach der Geburt
- kristinarend
- 3. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni

Die erste Zeit mit einem Kind verändert alles – auch die Art, wie wir Nähe erleben. Dieser Brief gibt einer Perspektive Raum, die oft im Verborgenen bleibt: der inneren Welt der frischgebackenen Mutter, zwischen Erschöpfung, Körpergrenzen und der Sehnsucht nach sich selbst.
Vielleicht findest du dich in diesen Zeilen wieder. Vielleicht helfen sie dir, deinen Partner oder deine Partnerin besser zu verstehen.
An den Partner, der sich Nähe wünscht
Ich sehe dich. Und ich weiß, dass du mich vermisst.
Ich spüre deine Blicke, deine Berührungen, deinen Wunsch, wieder mit mir verbunden zu sein.
Und gleichzeitig spüre ich, dass ich dir nicht geben kann, was du brauchst.
Nicht jetzt. Nicht in dieser Form.
Nicht, weil ich dich nicht liebe, sondern weil ich mich selbst kaum noch spüre.
Seit unser Kind da ist, ist mein Körper kein Ort der Lust oder Selbstbestimmung mehr. Er ist ein Werkzeug, das trägt, stillt, tröstet, funktioniert – eine Ressource, auf die andere Zugriff wollen. Und am Ende des Tages bleibt nur der Wunsch, dass niemand mehr etwas von mir will.
Manchmal sind da auch Bilder, die ich nicht loswerde:
Wenn du meine Brüste küsst, sehe ich unser Baby daran trinken.
Wenn du zwischen meinen Beinen liegst, bin ich plötzlich wieder im Kreißsaal.
Liegend. Ausgeliefert. Schmerzhaft offen.
Und während du vielleicht Nähe suchst, reagiert mein Körper mit Alarm.
Weil er sich erinnert.
Ich weiß, du fühlst dich ausgeschlossen, vielleicht sogar zurückgewiesen.
Und es tut mir weh, dass du darunter leidest – und dass meine Distanz dich trifft.
Aber bitte versteh: Es ist keine Ablehnung. Kein Nein zu dir.
Es ist ein verzweifeltes Ja zu mir, zu meiner Grenze. Es ist mein Selbstschutz.
Mein Nervensystem ist reizüberflutet. Mein Körper ist müde. Mein Inneres ruft nach Ruhe, nicht nach Nähe.
Manchmal spüre ich deine Enttäuschung. Ich merke, wie du still wirst, wie du dich zurückziehst, wenn ich nicht reagiere. Und dann spüre ich Schuld – und gleichzeitig Wut darüber, dass ich mich überhaupt schuldig fühle. Es ist, als müsste ich dich trösten, obwohl ich selbst keinen Halt habe.
Ich wünsche mir, dass du da bist – aber ohne zu fordern.
Dass du Geduld hast mit mir, so wie ich Geduld mit mir selbst übe.
Ich brauche diesen Abstand, um irgendwann wieder auf dich zugehen zu können.
Und ich verspreche dir: Ich komme zurück.
In meiner Zeit. In meinem Tempo.
In Liebe,
Ich
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